2019 stehen Indiens Bahnhofskinder im Zentrum der Kampagne „Tag der Straßenkinder“ von Jugend Eine Welt. Allein in Indien leben um die elf Millionen Straßenkinder. Weltweit wird ihre Zahl auf rund 150 Millionen geschätzt. Eine genaue Zahl kann es nicht geben, da viele Straßenkinder nirgends registriert sind, ja nicht einmal einen Ausweis besitzen.
An seinen Vater kann sich Raju nicht erinnern. Seine Eltern trennten sich, als er noch ganz klein war. Auf der Suche nach Arbeit, um für sich und ihren kleinen Sohn sorgen zu können, verließ Rajus Mutter ihr Dorf. Ein Zugticket der billigsten Wagenklasse in die Großstadt Guwahati zehrte die letzten Ersparnisse auf. Im Slum in der Nähe des Bahnhofs kamen beide unter. Raju war froh, mit Betteln etwas Geld verdienen zu können, denn seiner Mutter ging es sehr schlecht, sie litt an Tuberkulose. Eines Tages sprach ein Mann Raju an. Warum er nicht zur Schule gehe? Raju wollte wegrennen, doch der Mann sagte, er müsse keine Angst haben. So wurde Raju ins Don Bosco-Programm Snehalaya (übersetzt „Haus der Liebe“) aufgenommen, das Straßenkindern und Kindern aus den Slums hilft. Als seine Mutter kurz darauf starb, konnte Raju in ein Don Bosco-Wohnheim einziehen. Hier hat Raju eine neue „Familie“ gefunden. Er geht zur Schule und darf einfach Kind sein.
Das gefährliche Leben der Bahnhofskinder
Raju heißt eigentlich anders. Seine Geschichte ist diejenige vieler Kinder, die auf Indiens Bahnhöfen leben und arbeiten. Auch wenn jedes Einzelschicksal anders aussieht, ist ihnen allen eines gemeinsam: Armut und Not stehlen ihnen die Kindheit. Wie für Millionen von Straßenkindern weltweit gilt auch für Indiens Bahnhofskinder, dass sie ihr „abenteuerliches“ Leben nicht freiwillig gewählt haben. In Indien hat wie bei uns jedes Kind das Recht auf einen kostenlosen Schulplatz. Doch für Kinder wie Raju scheint dieses Recht nicht zu gelten. Schon Fünfjährige müssen auf Bahnhöfen betteln oder den Müll nach Essbarem durchsuchen, damit sie nicht verhungern. Kinder, die längere Zeit auf öffentlichen Plätzen beziehungsweise auf der Straße leben, schließen sich oft zu Gruppen zusammen, die ihnen etwas Halt geben. Meistens kommen sie durch diese „erfahreneren“ Straßenkinder in Kontakt mit billigen Drogen.
Doch das Leben am Bahnhof muss nicht die Endstation bleiben!
Denn in ganz Indien gibt es Anlaufstellen für Bahnhofskinder, die ihnen helfen, wieder in ihre Familie zurückzukehren, wieder die Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu machen. Das „Haus der Liebe“ in Guwahati ist eine davon. „Es ist enorm wichtig, dass wir auf den Bahnhöfen den Menschenhändlern zuvorkommen“, sagt Salesianerbruder Lukose, der das Programm leitet: „Oft gaukeln diese den Kindern und deren Eltern vor, ihnen einen Ausbildungsplatz zu verschaffen. In Wahrheit vermitteln sie Kinder als billige Arbeitssklavinnen und -sklaven. Daher ist es so wichtig, dass wir genau dort präsent sind, wo die Kinder ankommen: Am Bahnhof, am Busbahnhof, in den Straßen der Slums entlang der Gleise.“


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