Sie werden zum Betteln oder Stehlen gezwungen. Werden wie Sklaven als billige Arbeitskraft missbraucht, als Kindersoldaten rekrutiert, in die Prostitution gedrängt oder als Kinderbräute an den Meistbietenden verkauft. Im weltweiten, milliardenschweren „Geschäftszweig“ Menschenhandel sind es speziell Kinder und Jugendliche, mit denen sich die „beste Gewinne“ erzielen lassen. Gut ein Drittel der Opfer von Menschenhandel sind Kinder – die so jede Chance auf ein würdevolles Leben verlieren.
„Es ist erschreckend, die Opferzahlen steigen weiter, da sich in unserer digitalisierten Welt neue Formen der Sklaverei etabliert haben“, sagt Jugend Eine Welt-Geschäftsführer Reinhard Heiserer mit Blick auf den internationalen Welttag gegen Menschenhandel am 30. Juli. Mit diesem von der UNO ausgerufenen Tag soll die breite Öffentlichkeit über die verschiedenen Formen „moderner Sklaverei“ informiert und zugleich den Opfern Hilfe und Unterstützung zugesichert werden.
25% Anstieg der Fälle
Der aktuellste Bericht über Menschenhandel der in Wien ansässigen UN-Behörde zur Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNDOC) weist für das Jahr 2022 mit 75.000 Fällen von Menschenhandel einen 25-prozentigen Anstieg im Vergleich zu 2019 aus. Von insgesamt im Zeitraum 2020 bis 2023 identifizierten 202.478 Opfern waren 38 Prozent Minderjährige. 42 Prozent aller identifizierten Opfer waren von Arbeitsausbeutung, 36 Prozent von sexueller Ausbeutung betroffen.
Generell sei der Anstieg bei Menschenhandel (in all seinen Formen) gerade bei den Minderjährigen besorgniserregend, hält die UNDOC fest. Frauen und Mädchen sind weltweit unter den (entdeckten) Opfern weiterhin in der Mehrzahl, 61 Prozent waren es etwa 2022. 60 Prozent der weiblichen Opfer wurden wiederum sexuell ausgebeutet.
Bei Kindern und Jugendlichen, meist den weiblichen, komme hinzu, dass sie oft in sich überschneidenden Ausbeutungsformen gefangen sind. Zum Beispiel werden sie als Minderjährige in eine Zwangsehe geschickt, als kostenlose „Haushaltshilfe“ für die (Groß-)Familie ausgenutzt und womöglich als Sexarbeiterin auf einschlägigen Internet-Plattformen angeboten. Heiserer: „Wir alle müssen dazu beitragen, solchen Handel gerade mit den jüngsten und wehrlosesten Menschen zu beenden.“ Das beginnt schon damit, einen der Auslöser für ausbeuterische Verhältnisse zu bekämpfen, nämlich die Armut in vielen Familien. „Dadurch sind Kinder oft gezwungen, arbeiten zu gehen“, sagt Heiserer. Um das Problem missbräuchlicher Kinderarbeit einzudämmen, wäre das beschlossene, jedoch in die Praxis noch nicht umgesetzte europäische Lieferkettengesetz ein wichtiger erster Schritt.
Hilfe für die Opfer
„Wir dürfen kein Kind zurücklassen, gerade wenn es gelingt, dieses aus den Fängen von Menschenhändlern und Ausbeutern zu befreien“, erklärt Reinhard Heiserer weiter. Ein Problem dabei sei, dass Menschenhandel bzw. sklavenähnliche Ausbeutung sich oft im Verborgenen abspiele. Die Polizei ist da jeweils auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, um dagegen einschreiten zu können.

Die Entwicklungsorganisation Jugend Eine Welt unterstützt und fördert seit langem weltweit Aufklärungskampagnen sowie Einrichtungen seiner Don Bosco-Projektpartnerinnen und -partner, in denen (befreite) junge Opfer Schutz, medizinische und psychologische Betreuung sowie Unterstützung bei der Suche nach einem Job, einer Ausbildung und dergleichen erhalten. Als Vorzeigeprojekt gelten etwa die Mädchenschutzhäuser von Don Bosco Fambul in Freetown, Sierra Leone. Die Mädchen – von Sozialarbeitern oft auf den Straßen aufgelesen – die dort Zuflucht finden, haben schreckliche Erfahrungen gemacht. Sie wurden etwa als Haushaltshilfen ausgebeutet oder zur Prostitution gezwungen.
Im Don Bosco-Mädchenschutzhaus in Deodurga im südindischen Bundesstaat Karnataka sind es vielfach Kinderarbeiterinnen, die hier ein neues Zuhause finden. Heiserer: „Darunter sind auch nach wie vor junge Mädchen, die vor einer Zwangsehe gerettet werden konnten.“
