Es ist ein riesiges Gebiet, das die langjährigen Don Bosco Projektpartner von Jugend Eine Welt in ihrer Region Hyderabad betreuen. Es umfasst mit den indischen Bundesstaaten Telangana, Andhra Pradesh und dem südlichen Teil von Odisha rund 325.000 Quadratkilometer, auf denen gut 95 Millionen Menschen leben. Was unsere Partner dort unter dem Motto „Touching the Lives for Better Future“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie speziell für Frauen tun, darüber berichtete Pater Sarath Parri, SDB, Leiter des zentralen Entwicklungsbüros, bei seinem jüngst erfolgten Besuch bei Jugend Eine Welt in Wien.
Nur manchmal, wenn ihm grad das Wort nicht einfällt, switscht Pater Sarath schnell ins Englische. Gleich sprudeln aus seinem Mund wieder deutsche Sätze. Warum ein waschechter indischer Salesianerpater so gut Deutsch spricht? Ganz einfach, weil Pater Sarath zehn Jahre lang in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Zunächst als Theologiestudent in Benediktbeuren, nach Studiumabschluss als Mitarbeiter verschiedener kirchlicher Einrichtungen. Darunter in „sozialen Brennpunkten“ wie im ostdeutschen Chemnitz oder, etwas entspannter, im Regensburger Jugendbildungshaus.
Pater Sarath weiß also ganz gut Bescheid über soziale Probleme junger Menschen in Europa. Diese unterscheiden sich jedoch in vielem von jenen, denen er seit der Rückkehr in seine indische Heimat 2018 begegnet. Nach vier Jahren als Stellvertreter ist Pater Sarath seit 2022 Leiter des Bosco Seva Kendra (BSK), dem zentralen Entwicklungsbüro. Und setzt sich damit tagtäglich für eine bessere Zukunft aller „seiner Schützlinge“ ein.
Breites Angebot
Insgesamt 32 unterschiedliche Einrichtungen betreiben die Don Bosco-Partner in ihrer Region Hyderabad. Darunter allein 14 (Grund-)Schulen, weiters sogenannte „Bridge schools“, in denen Kinder auf den Wiedereinstieg in den regulären Schulbetrieb vorbereitet werden, und lokale Nachhilfezentren. Dazu kommen Schutzzentren für Straßenkinder, Berufsausbildungszentren samt Jobvermittlungs-Plattformen, ein „Mädchenschutzhaus“ (Rehabilitations-Zentrum für misshandelte Frauen) sowie ein Trainings-Institut für körperlich behinderte Kinder. Das breite Angebot wird ergänzt durch Programme zur Unterstützung verschiedener Communities und die in der ganzen Region verteilten „Kinderrechte-Clubs“, in denen jungen Menschen wichtige Werte vermittelt und sie über ihre Rechte aufgeklärt werden. Allein dort hat man schon rund 45.000 Kinder erreicht. Viele dieser Einrichtungen und Programme wurden und werden von Jugend Eine Welt unterstützt, zahlreiche VolontärInnen und Senior Experts aus Österreich haben da und dort bereits mitgearbeitet.
„Unser Fokus liegt auf Bildung, Empowerment, Dinge möglich machen, sich engagieren“, erklärt Pater Sarath. Letztlich zielen alle Aktivitäten darauf ab, jedem der Betroffenen „dabei zu helfen, dass er oder sie selbst weiterkommt in seinem Leben.“
Behördenlauf
Die Arbeit der „Streetworker“ – also jene MitarbeiterInnen, die sich in den großen Städten ganz gezielt um Straßenkinder kümmern – wurde zuletzt durch neue staatliche Regeln etwas erschwert, erzählt Pater Sarath. Konnten zuvor die Kinder, die etwa an Bahnhöfen, Märkten und öffentlichen Plätzen angesprochen wurden, dazu bewogen werden, freiwillig in eines der Schutzzentren mitzukommen, müssen sie jetzt zuerst zur Polizei gebracht werden. Dort wird in weiterer Folge von einer Behörde, eine Art „Kindergericht“, darüber entschieden, ob der oder die Betreffende überhaupt in eines der Heime kommen kann oder darf. Eine Regelung, die womöglich als Schutz für die Kinder vor der Gefahr, in „falsche Hände“ zu geraten, ersonnen wurde. Aber sie sei nicht unbedingt hilfreich dabei, die Kinder von der Straße weg zu lotsen, wenn sie ausgerechnet mit der Polizei in Kontakt treten müssen.
Zudem wurden die baulichen Auflagen und Standards für die Unterbringung der Kinder in Schutzzentren weiter verschärft. Der indische Staat übernimmt jedoch keinerlei Kosten für allfällige Adaptierungen, so wie er generell für den gesamten Sozialbereich kaum finanzielle Hilfen anbietet. Saraht: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Häuser schon seit langem soweit bestens ausgestattet sind.“
Empowerment für Frauen
Nicht ohne Stolz erzählt Pater Sarath über ein besonderes Programm, das „Empowerment“ speziell für Frauen. Dank der Mithilfe von Jugend Eine Welt wurde dieses vor einigen Jahren auf die Beine gestellt: rund 25.000 Frauen aus 19 regionalen Frauengruppen wurden bereits Mikrokredite in Höhe zwischen 10.000 bis 40.000 Rupie (umgerechnet etwa 150 bis 500 Euro) zur Verfügung gestellt. Geld, mit dem diese sich ein eigenes Geschäft, eine selbständige Arbeit aufbauen können. Etwa Kleider und traditionelle Saris herstellen und verkaufen, einen Lebensmittel-Shop eröffnen und dergleichen mehr.
Den Frauen wird das Geld nicht einfach in die Hand gedrückt. „Sie müssen einen Antrag stellen, dieser wird von in den jeweiligen Gruppen eigens gewählten Vertreterinnen geprüft“, so Sarath. Dabei wird die Geschäftsidee ebenso wie sonstige Voraussetzungen gecheckt wie bei Bedarf ein Coaching angeboten. Dann wird der Antrag dem BSK-Büro übermittelt, dieses erteilt den Zuschlag und das Geld wird auf ein zweckgebundenes Konto überwiesen.
Die Kreditnehmerinnen zahlen monatlich einen kleinen Zinsbetrag. Je schneller zurückbezahlt wird, desto niedriger werden diese Beträge – anders als etwa bei einem normalen Bankkredit. Im Schnitt sollte je nach Höhe der gesamte Kredit binnen eines Jahres getilgt sein. Die Hälfte der eingenommenen Zinsen fließen in das Kreditprogramm, mit dem anderen Teil werden die Mitarbeiterinnen in den Gemeinschaften bezahlt. Pater Sarath: „Wir würden den Frauen gerne höhere Kredite ermöglichen, doch dafür müssten die Finanzmittel für das Programm deutlich aufgestockt werden.“
Einen gemeinsam mit Senior Experts gedrehten kleinen Film über dieses Programm gibt es auf unseren YouTube-Channel zu sehen.
Erste „total solar“ Provinz
Zuletzt konnte Pater Sarath Parri noch von einem „Welterfolg“ berichten: Seine Provinz ist seit kurzem weltweit die erste SDB-Provinz, in der alle genutzten Häuser und Gebäude eine Solar-Anlage auf dem Dach haben. Generell sollen alle weltweiten SDB-Standorte bis zum Jahr 2032 „Green“ werden. Die von Jugend Eine Welt ebenfalls mitfinanzierte Aufrüstung habe, so Pater Sarath, abgesehen vom wichtigen Beitrag zum Umweltschutz schon zu einer deutlichen Kostensenkung in geführt. In einer Einrichtung ist beispielsweise „die bisherige monatliche Stromrechnung in Höhe von 600 Euro auf stolze 15 Euro gesunken.“
Als nächsten Ausbauschritt möchten die Salesianer in Hyderabad die Warmwasser-Produktion wo es möglich ist auch von der Sonne erledigen lassen. Was noch ein wenig Zukunftsmusik ist und weiterer Unterstützung von Außen bedarf.